
Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts.
„Ich bin der Beste und werde es immer bleiben. Mein Wissen ist unübertrefflich! Wahrscheinlich hatte ich heute Abend nur einmal Pech. Ich habe so viele Bücher gelesen, studiert, Erfahrungen gesammelt. Da kann der andere noch lange daran arbeiten, bis der nur ansatzweise jene Erkenntnisse weitergeben kann, so wie ich es vermag!“
Susi hörte mir aufmerksam zu. Getrieben von Ehrgeiz wollte ich sofort energisch weiterreden, um meinen Standpunkt zu vertreten, als die Kleine das Wort ergriff: „Man braucht die Liebe, um sein Wissen und seine Überzeugung bei den Menschen verständlich zu machen, Jack. Sonst schmeckt‘s nicht gut.“
„Was schmeckt nicht gut?“ fragte ich sie verwirrt. In diesem Moment konnte ich ihr nun wirklich nicht mehr folgen. Sie lächelte verschmitzt und meinte: „Lust auf einen Tee? Dann vielleicht beantwortet sich deine Frage von selbst…“ Ich hatte keine Gelegenheit zu reagieren. Schon war sie verschwunden und zack, sofort wieder zurück mit zwei Tassen heißem Tee. Verwundert stotterte ich: „Wie hast du das so schnell… und woher…?“ Susi drückte mir die warme Tasse in meine Hände mit den Worten: „Siehst du, du weißt doch noch nicht alles Jack. Es gibt noch ein paar Geheimnisse für dich zum Lüften! Und nun trink und wärme dich auf.“
„Danke Susi,“ sagte ich und war das erste Mal freundlich zu ihr, auch wenn sie immer noch ein bisschen seltsam war. Genussvoll und dankbar nahm ich einen Schluck Tee aus der Tasse…. Spuckte ihn sofort wieder aus und sah im selben Moment, wie Susi fast vor Lachen platzte.
„Was soll das Ganze,“ fragte ich verwirrt mit einem ekelhaften Geschmack im Mund. Prompt erhielt ich eine Antwort:
„ Alles Wissen das du glaubst zu haben, ist ohne Liebe weitergegeben wie dein Tee mit Salz. Kostet Geld, schaut gut aus, schmeckt aber nicht. Erst mit der richtigen Zutat wäre dein Tee bekömmlich, du könntest ihn genussvoll trinken und er würde dich erwärmen. So ist es auch mit deiner Gabe. Gib die richtige Zutat hinzu und du wirst Menschen begeistern, selbst, wenn es dir ab und zu an Wissen mangeln sollte.“
Langsam begann ich zu begreifen, doch war mein verletzter Stolz noch größer, als die Einsicht, dass die Kleine recht haben könnte, deshalb murmelte ich: „Mir mangelt es an nichts mein Fräulein! Mit meiner Arbeit habe ich so richtig viel Geld verdient. Aus diesem Grund kann ich mir alle nur erdenklichen Dinge leisten, von denen andere ihr ganzes Leben lang nur träumen können…“
„Toll!“ rief die Kleine begeistert, machte einen Sprung in die Luft und jubelte: „Dann hast du ja gaaaaaanz viel übrig zum Verschenken! Los Jack, komm!“
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