09. Dezember 2020

Vögel im Sonnenuntergang

Die Liebe bläht sich nicht auf

„Du willst also mehr über die Liebe erfahren?“ vergewisserte sich Susi noch einmal bei mir. Ich nickte, selbst wenn meine bisherige Einstellung und auch Erfahrung komplett dagegensprachen. Seltsamer Weise trieb mich innerlich etwas an, mehr wissen zu wollen über etwas, was ich nicht zu beschreiben vermochte, mir dennoch bereits in diesem Moment ein Gefühl der Ruhe und Stabilität vermittelte. In ihrem Blick erkannte ich, dass sie bereits erneut meine Gedanken durchleuchtete, zumindest schien es so für mich.

„Du bist ja schon weiter als ich dachte und gar nicht mehr so aufgebläht,“ bemerkte Susi freudestrahlend. „Wie meinst du das?“ Irgendwie hatte die Kleine das Talent in immerwährenden Rätseln zu kommunizieren.

„Eins sage ich dir Jack, dass du die Chance genutzt hast, dir all dieses Wissen und Kapital anzueignen, ist der Wahnsinn, ehrlich. Doch du trägst es in die Welt hinaus, um wer zu sein, vielmehr um dich toller und besser scheinen zu lassen als alle anderen in deinen Augen sind. Sich überheblich und stolz zu präsentieren, das ist das genaue Gegenteil von Liebe. Du verwendest dieses Wissen nicht für andere, du nimmst es für dich allein, zu deinem eigenen Vorteil. Dabei plusterst du dich auf wie ein in Not geratenes Miniküken. Immer in der ständigen Angst alles zu verlieren.“

„Stimmt gar nicht!“ verteidigte ich mich energisch.

„Und da ist er schon wieder der Jack! Er plustert und bläht und plustert und bläht!“ warf sie mir an den Kopf.

„Ich mach das nicht nur für mich, Fräulein! Auch für meine Frau und meine Tochter! Die dürfen wegen mir im vollen Luxus leben und haben alles was sie sich nur wünschen können!“

„Ja alles, außer deiner Zeit und deine Liebe. Denn das kann man ja nicht einkaufen gehen,“ ergänzte Susi meinen Satz und mit einem Mal wurde es wieder ganz still um mich und ich erkannte zum ersten Mal in meinem Leben, dass es wirklich etwas gab, was man mit Geld nicht ermöglichen konnte.

„Woher bekomme ich dann diese Liebe?“ fragte ich verzweifelt.

„Ist 30 cm vom Kopf entfernt und kann mit allem was du weißt und hast echt gut kombiniert werden. Du musst sie nur auspacken!“ antwortete sie.

Ich schaute nach allen Seiten und kam mir ein bisschen blöd dabei vor, doch ich wollte sie unbedingt irgendwie finden, sehen, spüren oder was auch immer. Ich wollte diese Liebe in meinem Leben.

„Schau in dein Herz, Jack!“

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