
Die Liebe prahlt nicht
Genau kann ich es nicht beschreiben, doch wir marschierten eine ziemlich lange Zeit schweigend zusammen durch die
Straßen, was ich mir nach der erfrischenden Unterhaltung mit Susi nicht erwartet hätte. Ehrlich gesagt, war diese Stille
sogar ein bisschen unheimlich. Als der Regen aufhörte, begann Susi endlich wieder zu sprechen. Doch ihre Aussage
haute mich dann total vom Hocker…
„Gott hat seine Erde fertig gegossen…“ Sie verblieb mit einem Grinsen, als sie meine Verwunderung in meinem Gesicht
entdeckte. „Du Kleine, also mit Gott kann ich jetzt wirklich nichts anfangen. Mir ist das Projekt mit der Liebe ja schon
aufwändig genug. Doch das ziehe ich jetzt durch, ich fühle mich zum ersten Mal in meinem Leben innerlich so richtig
toll an…“
„Alles, was du hast, hast du von Gott erhalten. Du hast es nicht alleine vollbracht. Du bekamst neben deinen Talenten
auch Chancen und Möglichkeiten…“ Versuchte sie mir zu erklären, doch das wollte ich mir nicht gefallen lassen und
schrie zornig in die Nacht hinein: „Ich habe mir mein Leben selbst aufgebaut! Ich habe lange studiert und viel Zeit damit
verbracht, mir so viel Wissen und Erfahrungen anzueignen. Das hat mit Gott nichts zu tun! Ich bin und bleibe der Beste
von allen!“
Traurig meinte sie nur: „Und ich dachte, du wolltest die Liebe wirklich in dein Leben lassen… Denn wer ehrlich liebt,
hat auch seinen Zorn unter Kontrolle und keinen Grund mit den Geschenken seines Lebens zu prahlen, um sich über
andere zu stellen. Menschen die in Liebe leben, erkennen, dass alle wichtig sind und keiner wichtiger ist, ganz egal wie
groß die Unterschiede auch sein mögen. Sie sind dankbar für die Möglichkeiten, welche ihnen geboten werden, z.B.
Gesundheit, Talente, Nahrung…“
Langsam begann ich zu begreifen, was Susi mir erklären wollte. Ich fühlte mich schlecht und schämte mich für meine
Arroganz. „Susi erklär mir, wer ist Gott?“
„Gott ist Alles.“ Sagte sie sehr überzeugend.
„Wie alles?“
„Na alles halt. Magst ihn und die Liebe kennenlernen du Angeber?“
„Begleitest du mich?“ Und dann war dieses Lächeln auf ihrem Gesicht wieder da, das ich so vermisste und sie
antwortete: „Immer wieder gerne, alleine bist du für diesen Schritt definitiv noch zu aufgebläht.“
„Du findest mich dick?“
„Nein aufgebläht.“
„Hab ich Blähungen?“
„Nein, Jack…“ Susi kugelte sich vor Lachen, nahm meine Hand, zog mich weiter und ich verstand wieder einmal nur
Bahnhof, doch das sollte sich ganz bald ändern.
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